Neues Booklet zur Schreibbegleitung im schulischen Kontext

25. März 2015
Foto: Wolfgang Simlinger (https://www.imst.ac.at/galleries/view/11)

Foto: Wolfgang Simlinger (https://www.imst.ac.at/galleries/view/11)

Vergangenen Donnerstag, den 19.03.2015, fand im Haus der Industrie (Wien) die Präsentation des Booklets „Starke Schreibbegleitung: Schreibprozesse in Vorwissenschaftlichen Arbeiten erfolgreich unterstützen“ statt. Die beiden Autorinnen Christina Halfmann und Monika Raffelsberger-Raup (s. Foto) legen damit eine wertvolle Anleitung zum Begleiten und Betreuen der Vorwissenschaftlichen Arbeit (VWA) vor. Das Booklet (Downloads) entstand in Zusammenarbeit des SchreibCenters der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt mit IMST (Innovationen Machen Schulen Top) und dem Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung (IUS, AAUK) und wendet sich an all jene Lehrerinnen und Lehrer, die schülerisches Schreiben qualitätsvoll unterstützen und vorbereiten wollen.

Das Booklet ist in zweierlei Hinsicht innovativ:

  1. Ausgehend von den in ihrer Praxis als Schreibberaterinnen gewonnenen Erkenntnissen legen die Autorinnen den Fokus bewusst auf die einzelnen Phasen der Betreuungsarbeit. Unterstützt wird diese nicht nur durch viele Beispiele und Übungen aus der Schreibberatungspraxis, sondern auch durch QR-Codes in den Randnotizen der Print- bzw. PDF-Ausgabe des Booklets, die direkt zu einem Online-Teil im IMST-Schreib-Wiki führen. Betreuende Lehrerinnen und Lehrer erhalten so rasch Zugriff auf zusätzliche Materialien für ihre Arbeit mit den schreibenden Schülerinnen und Schülern.
  2. Im Schlusswort des Booklets betonen die Autorinnen die Bedeutung des sensiblen Umgangs der Betreuungsperson mit den Schreiblernenden, „um diesen in ihrer weiteren Schreiblaufbahn einen möglichst unbelasteten Zugang zum (wissenschaftlichen) Schreiben zu ermöglichen“ (S. 125). Sie plädieren dafür, dass Schülerinnen und Schüler „Schreiben als eine soziale Handlung“ kennenlernen, „die in einem persönlichen und sozialen Sinnzusammenhang steht“ (ebda). Durch die VWA sollen die Schülerinnen und Schüler also nicht nur grundsätzliche Kenntnisse im Umgang mit wissenschaftlichen Texten erwerben, sondern das Schreiben vor allem als ein wichtiges Kommunikationswerkzeug wahrnehmen. Dieses Ziel erfordert allerdings die Entablierung einer neuen Schreibkultur an den Schulen.

Was unter dieser „neuen“ Schreibkultur zu verstehen ist, brachte Urs Ruf, Professor emeritus der Universität Zürich, am Freitag, den 20.03.2015, einen Tag nach der Präsentation des Booklets, in seiner Keynote zum IMST-Tags 2015 zum Ausdruck: Individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern ist für ihn nur in einem dialogischen Prozesses von Verstehen und Verständigung möglich. Im Zuge der Korrektur von Texten ihrer Schülerinnen und Schüler sollten Lehrerinnen und Lehrer daher weg von dem, was Ruf als „Berner Schlachtplatte“ (exzessiver Einsatz des Rotstifts) bezeichnet. Eine bloßes Anstreichen von Fehlern in Rechtschreibung und Grammatik lässt andere Qualitätsaspekte von Texten unbeachtet. Zurück beleibt das, was Ruf mit „Unterricht als Monolog“ bezeichnet: Alles, was nicht der Norm entspricht, gilt als defizitär oder falsch. Um einer Demotivierung der Schülerinnen und Schüler durch diesen defizitorientierten Ansatz entgegenzuwirken, plädiert Ruf für einen „Unterricht als Dialog“, d.h. beim Lesen von schülerischen Texten sollten die Lehrerinnen und Lehrer zunächst einmal nach Positivem, nach guten Ideen, guten Formulierungen etc. Ausschau halten und das dann in Form einer wertschätzenden Rückmeldung explizit machen.

Genau hier docken Christina Halfmann und Monika Raffelsberger-Raup an, wenn sie – wie oben beschrieben – eine Lanze für die Etablierung dieser „neuen“ Schreibkultur brechen. Das Schreiben der VWA und die Begleitung dieses schülerischen Schreibprozesses macht nur dann Sinn bzw. ist nur dann „stark“, wenn nach dem in der Schreibberatung üblichen Prinzip der Unterscheidung zwischen Higher Order Concerns (Fragen zu Textsruktur oder Inhalt) und Lower Order Concerns (Fragen zur formalen oder sprachlichen Richtigkeit) vorgegangen wird. Nur so können angstfreies Schreiben und das damit verbundene Lesen wieder an Bedeutung zulegen.

Der Förderung dieser „neuen“ Schreibkultur widmet sich auch die PH Wien. Derzeit absolvieren 15 Lehrende eine vom DiZeTIK initiierte und von Julia Rigal geleitete Ausbildung zur Schreibberaterin bzw. zum Schreibberater. Das laufende Basismodul dieser Ausbildung, das in Kooperation mit der PH Freiburg angeboten wird und eines der vier Module der dortigen SchreibberaterInnen-Ausbildung abdeckt, befähigt die teilnehmenden Lehrenden zur selbständigen Abhaltung von Schreibberatungseinheiten im Rahmen des Schreibzentrums an der PH Wien, das allen Studierenden ab dem WS 2015/16 zur Verfügung stehen wird (s. Wir gründen ein Schreibzentrum!). Das Basismodul setzt sich aus den Elementen „Grundlagen der Schreibberatung“ (Geschichte, Gesprächstechniken, Schreibforschung etc.), „Selbstreflexion“, „Entwicklung des persönlichen BeraterInnenkoffers“ sowie „Praxis“ (Mock-Beratungen, Intervisionen) zusammen.

Gastbeitrag von Reinhard Bauer (Teilnehmer an der Ausbildung zum Schreibberater an der PH Wien und PH Freiburg)

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